Bildung
Ein Thema worüber alle reden. Eines, worüber mitunter mehrmals wöchentlich ein Beitrag in öffentlichen Medien erscheint und eines, das seit einigen Jahren die Gemüter nicht zur Ruhe kommen lässt. Schließlich soll fortwährend perfektioniert und die teils erschreckende Realität wieder verbessert werden. Gleich wie. Hauptsache irgendwie BESSER.
Und in gleichem Maße, wie das bestehende Bildungssystem kritisiert wird, werden Alternativen an den Pranger oder gar als unzumutbar dargestellt. Ganz nach dem Motto: Wo kämen wir da hin, wenn wir wirklich etwas verändern würden.
Wie jetzt?
Geht es hier wirklich noch um BILDUNG?
Also darum, den Prozess der Wissensaneignung und Individualisierung, des Heranreifens und sich Entfaltens zu begleiten?
Nach bestem Wissen und Gewissen?
Oder geht es bei all diesen Diskussionen doch eher um ganz andere Dinge? Dinge, die – wenn überhaupt – nur peripher mit dem dafür verwendeten Titel „Bildung“ zu tun haben.
Ja, es geht um viel …
und doch viel zu selten um das eigentlich WICHTIGE in Bezug auf Bildung. Da wird heiß über Bezeichnungen und Stundenpläne diskutiert, über Stundenverteilungen, Raumgestaltung, Beurteilungskriterien, Sanktionen, PISA, Pflichten, Mängel, Alternativen, Verbote und noch vieles mehr …
Es wird politisiert und reformiert. Es werden Pläne erstellt, wieder verworfen und sogenannte Bildungsstandards ins Leben gerufen. Standards, die schnell einmal den Eindruck entstehen lassen, dass wir es hier nicht mit jungen, individuellen Menschen zu tun haben, die allesamt eigene Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen mit sich bringen, sondern mit einheitlichen Gegenständen, die bestimmte Anforderungen zu erfüllen haben, um in die entsprechende Kategorie eingeteilt werden zu können.
Doch sollten wir bei einem so wichtigen und wesentlichen Thema, wie der Begleitung heranwachsender, junger Menschen, nicht über ganz andere Dinge sprechen?
Inwiefern verändern die oben erwähnten Themenbereiche denn die Bildungssituation für junge Menschen?
Bringt dieses fortwährende Ändern und Verändern von Bestimmungen, Bezeichnungen und sogenannten Standards denn wirklich die gewünschte und viel zitierte Veränderung / Verbesserung der Situation?
Fraglich
Rein oberflächlich betrachtet vielleicht.
Rein oberflächlich betrachtet wurde das Bildungssystem in den letzten Jahren modernisiert und – schenkt man den sogenannten Experten Glauben – perfektioniert. Da gab es bauliche Veränderungen, namentliche Veränderungen, „Personaländerungen“, und so weiter und so fort.
Der Lehrplan ist weitestgehend gleich geblieben. Die Anforderungen sind gestiegen, wenn gleich die Möglichkeiten der begleitenden Menschen gesunken sind ….
Und bei näherer Betrachtung sind all diese vermeintlichen Veränderungen in Wahrheit nur oberflächliche Renovierungsmaßnahmen einer baufälligen Bruchbude, deren „Bewohnern“ es zusehends schwerer gemacht wird, sich darin wirklich wohl zu fühlen.
Aber darum geht es doch gar nicht …
Ja ich weiß schon. Um das „sich wohl fühlen“ soll es bei Bildung letzten Endes ja gar nicht gehen. Nicht hierzulande. Es soll nicht darum gehen, sich selbst zu entfalten, das eigene Potenzial zu entdecken und dort stark und gut zu werden, was einem liegt. Es soll nicht darum gehen, sich vielfältiges, umfangreiches Wissen nachhaltig anzueignen, zu erforschen und manches Mal vielleicht auch zu hinterfragen um eigene Wege zu finden oder Neues zu entdecken.
Nein, worum es geht sind ganz andere Dinge:
Leistungen sollen erbracht und Standards erfüllt werden und Studien sollen zufriedenstellende Ergebnisse liefern. Nicht für die jungen Menschen wohlgemerkt, sondern für die Politik und diejenigen Parteien auf deren M*** die Ideen und Reformen dahinter gewachsen sind. Und obgleich das nette Wörtchen Förderung übergroß geschrieben wird, sieht es mit selbiger was die Individualität des Einzelnen, seine Fähigkeiten, Stärken und Interessen betrifft eher dürftig – um nicht zu sagen schwarz – aus.
Und wieder einmal …
Wo kämen wir denn da hin!!!! Individualität fördern!!! Himmel, was stellt die sich denn vor? Wie soll denn das gehen?
Leicht ist das nicht. Nein, natürlich ist es einfacher alle in einen Topf zu werfen und alles zu vereinheitlichen. Natürlich ist es einfacher, hier alle als „unzureichend“ abzustempeln, die nicht in den Topf passen und noch einfacher ist es alles daran zu setzen, sie „passend“ zu machen für den Topf der sogenannten Bildungsprogramme und Standards. Und ja, es ist natürlich auch einfacher Diagnosen zu verteilen und jungen Menschen jegliche Hoffnung, wie auch das Wohlgefühl zu nehmen, als alles daran zu setzen, ein Optimum zu erschaffen.
Ein Umgebungs-Optimum beispielsweise, in dem Potenzialentfaltung wirklich möglich ist.
Das ist nicht leicht – keine Frage. Nicht, wenn wir in althergebrachten Mustern weiter denken und auf gewohnten (Trampel)Pfaden wandeln. Denn es bedeutet im Grunde, sich aufzuraffen, den Blickwinkel zu verändern und sich die Zeit zu nehmen, wirklich einmal hin zu schauen und wahr zu nehmen. Es bedeutet, jeden jungen Menschen für sich zu sehen, ihm zuzuhören, sich ihm zuzuwenden und sich die Mühe zu geben, seine Interessen, Fähigkeiten und Stärken zu erkennen. Es bedeutet, die eigenen Herangehensweisen einmal für einen Augenblick beiseite zu schieben, den Gedanken der Belehrung und vermeintlich notwendigen Leistungsbeurteilung (damit der „Schüler“ weiß woran er ist) zu vergessen und stattdessen den jungen Menschen in seinem TUN zu ERMUTIGEN,
Denn sollte es nicht genau darum gehen?
Um das wirkliche Begleiten?
Sollten sich unsere Gespräche nicht vielmehr darum drehen, wie wir jungen Menschen ihre (wohlgemerkt angeborene) Freude am Erforschen und Entdecken bewahren können?
Wie wir da sein und uns dennoch soweit zurück nehmen können, um jenen Spiel- und Freiraum zu geben den es braucht, um Wissbegierde und Freude am Tun zu nähren? (Statt sie, wie hierzulande üblich – durch Pflichterfüllungsappelle und Leistungsbeurteilungen im Keim zu ersticken?)
Denn Bildung ist so viel mehr
als reine Wissensvermittlung, oder fortwährende Belehrung. Lernen – die Freude daran sich zu bilden – muss nicht erst gelehrt werden und braucht auch keine Belehrung. Es braucht keinen gebildeten Erwachsenen der Heranwachsenden die Welt offenbaren muss. Die gesamte Vielfalt unseres Lebens und Daseins erstreckt sich vor unseren Augen. Von Beginn an. Wir sind dazu geboren um wahrzunehmen, zu fühlen, zu be-greifen, zu hinterfragen, zu er-forschen und zu entdecken. Wie sonst, hätten wir gehen gelernt? Oder sprechen? Nur um zwei winzig kleine und doch so bedeutende Beispiele von selbstverständlichem Lernen zu nennen.
Und was Bildung im Endeffekt braucht sind keine hochtrabenden Reformen, sondern lediglich Erwachsenen, die es schaffen jungen Menschen die Freude am Entdecken, Erforschen und sich bilden zu bewahren und dadurch wirkliche Potenzialentfaltung zu ermöglichen.
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